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Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede zur Kreistagssitzung 12. Dez. 2022, in Lauffen a. N. "Delay means Death!" ("Verzögerung führt zum Tod!")

Sehr geehrter Herr Landrat Heuser, meine Damen und Herren,  
1. Einleitung
Man wartet und wartet, dass es endlich losgeht und dann … es passiert nichts, einfach nichts ….

So geht es uns von der ÖDP seit gut einem Jahr, genauer seit der Amtseinsetzung von Norbert Heuser im Oktober 2021!
Wir warten, dass es endlich losgeht mit konkreten Maßnahmen beim Klimaschutz.
War doch der Klimaschutz das zentrale Thema beim Landrats-Wahlkampf.
Groß waren daher unsere Erwartungen.
Es gibt natürlich viele Gründe, warum bisher so wenig Konkretes passiert ist: Die Coronakrise, die Energie- und Flüchtlingskrise, der Mangel an passenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern usw.   
Bei so vielen Baustellen tritt dann schnell mal die Klimakrise in den Hintergrund.

Doch diese genannten Baustellen sind wirklich vernachlässigbar, im Vergleich zu dem was auf uns zukommt, wenn beim Klimaschutz nicht sofort und vehement gehandelt wird.
Jahrhundertsturm, Jahrtausendflut, Jahrhundertdürre - extreme Wetterereignisse treten inzwischen im Jahresrhythmus auf – weltweit, aber auch bei uns! Und dennoch sind dies erst die Vorboten.
Stellen Sie sich nur mal vor, wir haben 5 solch trockene Jahre wie 2022 hintereinander - weltweit. Nur eine Auswirkung von vielen: Die Nahrungsmittelversorgung weltweit würde zusammenbrechen.  
Haben wir dann noch die Kraft für einen vehementen Klimaschutz!?  
Das heißt, wir müssen jetzt handeln bevor aus dem Klimawandel eine Klimakatastrophe wird, denn jetzt können wir noch handeln!
„Delay means Death“ – „Verzögerung führt zum Tod“, so formulierte es UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bei der Weltklimakonferenz und begründete dies:
„Unser Planet nähert sich immer schneller den Wendepunkten, die das Klimachaos unumkehrbar machen werden. Wir sind auf einem Highway in die Klimahölle, …
Die Wissenschaft ist eindeutig: Jede Hoffnung, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, heißt bis 2050 weltweit Netto-Null-Emissionen zu erreichen“, so Guterres.
Das heißt für uns in Deutschland die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 auf Null sinken müssen, um das 1,5 Grad Ziel einzuhalten (nach dem Prinzip der Verteilung des globalen Restbudget).
„1,5°C“ hört sich zunächst mal wenig an. Das ist aber eine mittlere globale Temperatur. Dass unser Planet zu 2/3 aus Wasser besteht wird dabei gerne übersehen. Für Landflächen kann das schon mal 6 bis 7°C mehr sein – im Durchschnitt!

2. Voller Energie zu weniger (fossilem) Energieverbrauch!
Zurück zum Landkreis:
Nach Jahrzehnten des Aussitzens ist der Landkreis Heilbronn heute deutliches Schlusslicht beim Klimaschutz in Baden-Württemberg.
Bei 35 Landkreisen haben nur 2 Landkreise noch keine Klima- und Energieagentur (KEA), mit dabei der Landkreis Heilbronn.
Bei 35 Landkreisen haben nur 2 Landkreise keine eigenes Klimaschutzkonzept, mit dabei der Landkreis Heilbronn. (Quelle: KEA-BW, KST 30.11.2022)
Zumindest mit dem Klimaschutzkonzept wurde dieses Jahr begonnen. Die Fertigstellung ist im Frühjahr 2024 geplant. Bis dann die ersten konkrete Maßnahmen umgesetzt sind und wirken, dürfte es 2026 werden – falls es schnell geht!
Ähnliches gilt für eine KEA, die wir ausdrücklich begrüßen, hatten wir dies bereits 2007 (!) vorgeschlagen.
Doch bis von dort nach einer ersten Selbstfindungs- und Analysephase erste konkrete Vorschläge kommen, werden mindestens 2 Jahre vergehen – falls es schnell geht.

Beim Blick auf eine notwendige Klimaneutralität in 2030 ist das viel zu spät. Nach Jahre des Aussitzens müssen wir jetzt endlich handeln!  

Dazu 2 aktuelle Beispiele anderer Kommunen:
- München hat ein Maßnahmenplan von 550 Mio. bis 2025 beschlossen mit 68 konkreten Einzelmaßnahmen. Ziel: Eine Klimaneutrale Stadtverwaltung bis 2030, ganz München bis 2035!
- Ähnliche Ziele und Beschlüsse in Stuttgart: CDU OB Nopper spricht von einem Quantensprung bei den Investitionen in Photovoltaik, in die Wärmewende und Wind.
Was zeigt uns das?
Man muss nicht unbedingt nach Kopenhagen fliegen, um sich über den Klimaschutz zu informieren! (siehe dazu: Kraichgau Stimme, 12.10.22 „Klimaschutz: Bürgermeister aus dem Landkreis Heilbronn holen sich Anregungen aus Kopenhagen“, 18 Bürgermeister fliegen gemeinsam nach Kopenhagen.)

Photovoltaik-Förder-Programm für Balkonmodule
Nachdem unser 1000 x 1000 PV-Dächerprogramm (Antrag von 2020 und 2021) auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, wollen wir es eine Nummer kleiner versuchen:
Wir beantragen eine Förderung von 200 Euro für die Installation einer Balkon-Photovoltaik (PV)-Anlage für bis zu maximal 250 Anlagen (= in Summe 50 000.- Euro).
Solche PV-Module am Balkon ermöglichen selbst erneuerbaren Strom zu produzieren und direkt vor Ort zu verbrauchen, auch für Mieter ohne eigenes Dach.

Photovoltaiknutzung auf kreiseigenen Gebäuden
Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass der Landkreis seine eigenen Gebäude maximal mit PV belegt. Erst recht jetzt bei den stark steigenden Netz-Strompreisen! (Stichwort: Eigenstromversorgung mit Einsparungen von 10 bis 20 Cent/Kilowattstunde.)

Bereits 2016 hatten wir hierzu konkrete Gebäude-Vorschläge gemacht, nachdem nach jahrelangen Nachfragen nichts passiert ist.
Anfang 2022 wurde dieses PV-Potential aktualisiert. Ergebnis: Es könnten 3000 m2 mit PV-Modulen belegt werden, mit einer Stromerzeugung von ca. 800 000 kWh pro Jahr. (Was immerhin 80 Einfamilienhäusern entspricht!)
Es ist verständlich, dass das Bauamt aktuell wegen der Flüchtlingskrise keine Kapazität hat.
(Nebenbei bemerkt: Wir hatten ja schon lang vor der aktuellen Flüchtlingskrise auf dieses Defizit hingewiesen.)
Doch findet sich bei 1400 Mitarbeitern (im Landratsamt) nicht jemand, der einen erfahrenen Solarteuer oder eine Energiegenossenschaft beauftragen kann.
Man fragt sich schon: Wie haben es die rund 2 Mio. Hausbesitzer in Deutschland geschafft, großteils ohne jedes technische Know How, eine PV-Anlage auf ihr Dach zu bekommen?!
Für die genannten Photovoltaik-Nutzungen brauche ich nun wirklich nicht auf eine Klimaschutzkonzept oder eine KEA (Klima- und Energie-Agentur) zu warten! Das ist heute einfach Standard!

 „Energiesparwettbewerbe an Schulen“ oder „Wer besitzt den ältesten Kühlschrank im Landkreis?“
Ähnlich die Aussagen aus dem Landratsamt zu unseren Vorschlägen zur Durchführung von einmaligen Wettbewerben: „Keine Zeit, keine Kapazität.“
Es ist schon erstaunlich wie andere Landkreise das schaffen: Der Landkreis Südliche Weinstraße (Pfalz)
war übrigens mit der Aktion „Wer besitzt den ältesten Kühlschrank im Landkreis?“ landesweit in der Presse und im SWR-Radio.

3. Abfallwirtschaftsbetrieb - Hin zur Mini-Müll-Gesellschaft
Große Änderungen stehen dem Abfallwirtschaftsbetrieb in den nächsten Jahren bevor:
Für 2025 wird die Restmüllbehandlung (sprich die Müllverbrennung) neu ausgeschrieben. Ein enormer Preisausstieg ist zu erwarten.
Deshalb muss die Restmüllmenge deutlich reduziert werden, was für die Einführung einer Wertstofftonne spricht. Auch bei Umfrage war für uns das Ergebnis eindeutig:
Mehrheit der Befragten (61 %) wünscht sich eine weitere Tonne: 93 % davon eine Gelbe Tonne.

2023 soll die Ausschreibung der Müllabfuhr für nach der Umstellung des Sammelsystems erfolgen.
Dabei wünschen wir uns 2 Ergänzungen.
Berücksichtigung eines „Elektronische Müllsheriffs“ bei der Biomüll-Abfuhr:
Die Installation einer automatischen Fremdstoff-Detektion für den Biomüll, was ja demnächst (2024) mit 2 Müllfahrzeugen getestet werden soll. Wir sind gespannt!

Berücksichtigung eines Müllfahrzeugs mit Brennstoffzellen- bzw. Wasserstoff (H2)-Antrieb
Weiterhin haben wir beantragt, dass mindestens ein elektrobetriebenes Müllfahrzeug als Alternative angefragt wird - also für die Abfuhr ab 2026. Damit für die Abfuhrfirmen genügend Vorlauf besteht.
In der Vorlage steht nun, dass die aktuell beauftragt Firma angefragt wird. Dies kann man machen, wenn aber zufällig diese Firma kein H2-Fahrzeug anbieten kann, ist die Antwort klar.
Der Nutzfahrzeughersteller Faun fertig Müllfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb seit 2021 in Serie.
In Reutlingen wurde bereits mit Landesförderung ein vollelektrisches Brennstoffzellen-Müllsammelfahrzeug in Betrieb genommen. (https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/erstes-muellsammelfahrzeug-mit-brennstoffzelle-sueddeutschlands/ )

5. Zum Schluss
Zum Schluss noch eine Buchempfehlung:
Claus-Peter Hutter bringt es in seinem Buch „Die Erde rechnet ab“ auf den Punkt:
Handeln ist angesagt: Auf allen Ebenen! Damit die Rechnung am Ende nicht unbezahlbar wird!

Ein erster kleiner Schritt wäre heute eine Zustimmung zu konkreten Klimaschutzanträgen!
Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.