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Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede zur Kreistagssitzung 12. Dez. 2016: Ein Prozent ist genug!

1. Einleitung
Ein Prozent ist genug! – so der plakative Titel des neuen Berichts des Club of Rome.
Dahinter steht die zentrale Frage:
Wie kann man mit wenig Wirtschaftswachstum (weniger als ein Prozent weltweit!) soziale Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und der Klimawandel bekämpfen?
Traditionell - bei vielen Ökonomen und Politikern - gilt hohes Wirtschaftswachstum als die Lösung für die genannten Probleme. Das ist ein fataler Irrtum! – so der Bericht.
Trotz des steten Wirtschaftswachstums in den vergangenen Jahrzehnten geht es den Menschen in den Industriestaaten nicht besser:
Die Schere zwischen Arm und Reich ist weiter auseinander gegangen. Millionen von Menschen haben keine Arbeit. Der Ressourcen- und Energieverbrauch steigt und steigt. Trotz steigendem Konsum sinkt die Zufriedenheit, auch bei uns. Das ist keine neue Erkenntnis:
Ludwig Erhard, Vater des Wirtschaftswunders (1949-1963 Bundeswirtschaftsminister, 1963-1966 Bundeskanzler) äußerte sich schon 1957 kritisch zu steigendem Konsum und Wirtschaftswachstum:
„Wir werden sogar mit Sicherheit dahin gelangen, dass zu Recht die Frage gestellt wird, ob es noch immer richtig und nützlich ist, mehr materiellen Wohlstand zu erzeugen, oder ob es nicht sinnvoller ist, unter Verzichtleistung auf diesen „Fortschritt“ mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Muße und mehr Erholung zu gewinnen.“ (Wohlstand für alle, 1957).
Die richtungsweisende Studie des Club of Rome bietet viele neue Ideen auch für unseren Landkreis:

2. Energie und Geld sparen - Klima schützen
„Die globale Energiewende ist längs unterwegs. Die Welt ist uns Deutschen dankbar dafür,“ so Professor Eicke Weber – Chef bei Fraunhofer für solare Energiesysteme.
In Deutschland wurden die Nischenanwendungen Photovoltaik und Windenergie zu den inzwischen günstigsten Energiequellen überhaupt entwickelt! Ein Beispiel: In Dubai ist ein riesiger Solarpark geplant, der für 2,6 Eurocent pro Kilowattstunde Sonnenstrom liefern soll.
Allerdings ohne deutsche Beteiligung. Die deutsche Solarindustrie liegt am Boden, genauso wie der Zubau von Photovoltaikanlagen bei unter 1 Gigawatt in diesem Jahr. Weltweit werden es dagegen 80 Gigawatt sein (2016).
Deshalb unser Antrag, alle Landkreisgebäude (inklusive der Beteiligungen und der neuen Straßenbauämter) maximal mit Photovoltaik-Anlagen zu bestücken. Mit betrachtet werden sollte die Einbindung eines Batteriespeichers zur Erhöhung des Eigenverbrauchs.
Revitalisierung von Kleinwasserkraftwerken
Ein anderes Beispiel: Das Land Tirol will durch die Aktivierung von Kleinwasserkraftwerken die Stromproduktion um 30 Prozent steigern. Wäre dies auch was für uns? Wie viele Kleinwasserkraftwerke gibt bzw. gab es im Landkreis Heilbronn? An entsprechenden Gewässern fehlt es nicht: Allein bei Wikipedia sind 50 Gewässer aufgeführt.
Biomassenutzung im Landkreis
Es ist schon fast vergessen: Straßenränder hatten einmal ihren Wert als Standort für Nutzpflanzen, wie zum Beispiel Obstbäume. Diese Straßenränder sollten wieder eine Renaissance erleben, für die Erzeugung von Bioenergie über den Anbau von Pappeln, Robinien oder Weiden.  
Einige unserer fast 500 Kilometer an Kreisstraßen haben teilweise sehr breite Straßenränder, mit meist  spärlicher Bepflanzung. Die Bepflanzung könnte an private Unternehmen vergeben werden, die dafür die Pflege übernehmen und die Biomasse ernten.

3. Mehr Zukunft mit weniger Schulden
Das Einzigste, was man ohne Geld machen kann, sind Schulden (Karl Pisa).
Wir hoffen, dass dies nicht zum Leitspruch für unseren Landkreis wird.  
Eine Neuverschuldung von 24 Mio. Euro (von 60 auf 84 Mio. Euro) sind in Zeiten großer Investitionen als einmaliges Ereignis gerade noch akzeptabel. Was mehr erschreckt ist die Verdreifachung der Schulden in nur 4 Jahren - von 34 Mio. in 2014 auf knapp 100 Mio. in 2018.  
Die eine oder andere Investition hätten wir noch schieben können: So wäre es kein Beinbruch, die Brücke in Gundelsheim noch 2 Jahre zu verschieben, so wie es die Deutsche Bahn bei der Finanzierung auch macht.
Eine Erhöhung der Kreisumlage auf 31 Prozent – wie zunächst geplant - halten wir weiterhin  für angebracht. Dass nun die Umlage nur auf 30 Prozent steigen soll, dürfte wohl auch an der Lobbyarbeit der Bürgermeisterfraktion liegen.

4. Nachhaltiger Verkehr: 4.1 Bürgerbusse
Bürgerbusse sind im Kommen. Zur Zeit gibt es in 6 Landkreisgemeinden Bürgerbusse bzw. entsprechende Initiativen. Vorbildlich läuft es in Bad Wimpfen: Seit mehr als 5 Jahren bedienen dort rund 40 ehrenamtliche Fahrer täglich 9 Mal rund 20 Haltestellen im Stadtgebiet mit einem 9sitzigen-Kleinbus. Der Bürgerbus verbindet  dabei die Wohngebiete und Kur-Kliniken mit den Einkaufmärkten und dem Bahnhof und stärkt durch seine Zubringerfunktion generell den ÖPNV.
Dieses ehrenamtliche Engagement sollte der Landkreis ebenfalls fördern, weshalb wir einen  10prozentigen Zuschlag zum Kaufpreis eines solchen Kleinbusses beantragt haben.

4.2 Stadtbahn Nord von Bad Friedrichshall nach Sinsheim.
Bald sind es zwei Jahre seit dem Start der Stadtbahn Nord von Bad Friedrichshall Richtung Sinsheim. Die Erwartungen nach 20 Jahren Wartezeit waren hoch (zur Erinnerung: Die erste Vorstellung des Konzeptes war 1993).
Diese Erwartungen wurden großteils enttäuscht mit der schlechten Anbindung nach Sinsheim, Verspätungen, nicht funktionierenden Anzeigen und Toiletten usw.
Auch wenn sich Einiges verbessert hat, so sollten wir nach nun 2 Jahren einmal Bilanz ziehen. Herr Landrat, sie haben ja zugesichert, dass die AVG Anfang 2017 im Verwaltungsausschuss Bericht erstattet. Wir sind gespannt!  

4.3 Zabergäubahn und Krebsbachtalbahn
Trotz der Schwierigkeiten muss es weitergehen mit der Stadtbahn. Dazu möchten wir den scheidenden Nahverkehrsplaner Gerhard Schnaitmann zitieren: (Kraichgau Stimme, 18.11.2016):
„Das Zabergäu ist das Nächste was kommt. Drei Züge der Stadtbahn Nord fahren pro Stunde den Heilbronner Vorplatz an. Zwei der drei Züge könnten bis nach Zaberfeld verlängert werden. Betriebswirtschaftlich ein optimaler Zustand. Eine sensationelle Chance.“ Zitat ende.
Auch im Kraichgau sieht der Verkehrsplaner neue Möglichkeiten:
„Eine 2 bis 3 Kilometer lange Spange zwischen Babstadt und Obergimpern könnte die Krebsbachtalbahn mit der Bäderlinie Jagstfeld-Sinsheim verbinden. Die Züge könnten bis Obergimpern verkehren und dort getrennt werden. Ein Wagen fährt bis Hüffenhardt, der zweite nach Neckarbischofsheim.“ Zitat ende.
Wenn wir von der ÖDP sowas in der Vergangenheit vorschlugen, dann fiel schon mal der Begriff „Spinner“. Wenn ein Verkehrsplaner der NVBW (Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg), dies vorschlägt, dann kann dies nicht mehr als Spinnerei abgetan werden!
Es wurden schon bei Weitem verrücktere Idee gestartet – siehe Stuttgart21! Wir würden keine Cent  darauf wetten, dass Stuttgart21 wie geplant fertig gestellt wird. Immerhin fehlen dafür noch 3,5 Mrd. Euro! (6,5 Mrd. laut DB AG, ca. 10 Mrd. Euro laut Bundesrechnungshof)

4.4 HNV (Heilbronner · Hohenloher · Haller Nahverkehr GmbH):
Die Mobilität ist ein teures Vergnügen. So sind die Preise rund ums Auto seit 2000 um 27%  gestiegen. Dagegen legten die Preise im ÖPNV (öffentlichen Personennahverkehr) mit 73% noch stärker zu.
Unser HNV ist hier leider keine Ausnahme.
Trotzdem benutzen jeden Tag rund 150.000 Menschen den HNV. Damit es noch mehr werden, wünschen wir uns von der ÖDP ein verstärktes Marketing besonders bei Neubürgern. Das Land hat hier gerade ein Förderprogramm aufgelegt.
In Konstanz können Neubürger 2 Wochen lang ihre neue Heimat umsonst per ÖPNV testen. Nach einem Umzug ändert sich oft das Mobilitätsverhalten. (Aktion Neubürgerkarte)

Ein anderes Beispiel aus Wien: Mobilitäts-App: Mobilität aus einer Hand!
Wiener Planer verdrängen den Autoverkehr nicht einfach plump mit Verboten, sondern überzeugen mit Alternativen. Eine Jahreskarte kosten nur 365 Euro. Jeder Wiener kann per kostenloser App sehen, welche Verkehrsangebote jeweils in der Nähe zur Verfügung stehen: ob Bus, Bahn, Taxi, Car-Sharing oder E-Bike. Über die App kann gebucht und bezahlt werden. Einfacher geht’s nicht!
So eine Mobilität-App wäre doch auch was für unseren HNV!
Probebetrieb mit Elektrobussen:
Wer bei der Gartenschau in Öhringen war, der konnte mit den neuen Elektrobussen bereits fahren. Der Antrieb stammt aus Kupferzell (Hohenlohekreis, von Ziehl-Abegg). In Schweden oder Münster fahren bereits Busse mit diesem Antrieb.
Wann fahren die ersten Busse mit Elektro-Antrieb aus der Region in der Region beim HNV?
 
5. Wirtschaftsförderung: 5.1 Förderung von innovativen Start-ups:
Laut „Prognos Zukunftsatlas 2016“ gehört der Landkreis Heilbronn zu den Top 10 Gebieten in Deutschland mit den besten Chancen bei Wettbewerb und Innovation. (8ter Platz bei einem Ranking der 402 Landkreise und kreisfreien Städte.)
Doch gerade in den letzten Monaten mussten wir wieder erkennen, wie abhängig wir von der Fahrzeug-Konjunktur sind. Wie können wir uns breiter aufzustellen?

 „Junge Kreative entern Seecontainer-City“ – so beschreibt die RNZ ein Projekt in Karlsruhe. Dort arbeiten in einer alten Halle in 70 echten See-Containern u. a. Absolventen der Hochschule und Institutsmitarbeiter, um Produktideen zu verwirklichen.
Auch bei uns im Landkreis fehlen solche Zukunftswerkstätten mit flexibler Büronutzung bei günstigen Mieten. Wie wäre es mit einem Versuch zunächst in Neckarsulm – mit Unterstützung des Landkreises.

5.2 Breitbandausbau mittels Glasfaser:
Das schnelle Internet gehört heute zur Daseinsvorsorge, gerade auch im ländlichen Raum. Durch flexible home office Arbeitsplätzen kann der Verkehr entscheidend reduziert werden.
Anfang des Jahres hat der Landkreis eine Analyse der bisherigen Situation und die Ableitung von Maßnahmen für einen beschleunigten Breitbandausbau beauftragt. Wie ist hier der Stand?
Beim Blick in die Nachbarkreise (Rhein-Neckar, Neckar-Odenwald, Karlsruhe) fühlen wir uns hier  abgehängt. Da sind an vielen Stellen die Glasfaserleitungen bereits verlegt.

6. Mehr Gemeinsinn:
Ein Verdienst des Berichts vom Club of Rome besteht in der Ausweitung des Begriffs der Arbeit auf Leistungen, die in Familien, in der Pflege und im Ehrenamt erbracht werden.
Bei den heute üblichen Betrachtungen zählt nur die Erwerbs-Arbeit, die auch mit Geld entlohnt wird.
Die Familien und die Menschen im Ehrenamt, die mit ihren - nicht mit Geld bezahlten Leistungen - unsere Gesellschaft stabilisieren, werden vielfach nur noch belächelt.
Um diesem Trend entgegen zu wirken, möchten wir das Ehrenamt durch einen Preis fördern.  
Der Landkreis sollte damit herausragendes, ehrenamtliches Engagement, sowie die Berichterstattung darüber auszeichnen. - Was wären wir ohne die unzähligen Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe.

7. Mehr Bürgerbeteiligung:
Wie in anderen Landkreisen bereits üblich (Beispiel: Kreis Esslingen, Rhein-Neckar-Kreis.) wünschen wir uns von der ÖDP die Einführung von Bürgeranfragen. Bürger können dort zu Beginn jeder Sitzung des Kreistages Anfragen zu Angelegenheiten des Landkreises stellen.

8. Schluss
Schliessen möchte ich mit einem weiteren Zitat von Ludwig Erhard aus einer Rede auf dem CDU-Bundesparteitag 1965):
"Was wir außerdem brauchen, ist ein neuer Stil unseres Lebens.
Die wachsende Produktion allein hat keinen Sinn.
Lassen wir uns von ihr völlig in den Bann schlagen, geraten wir in solcher Jagd nach materiellen Werten in den bekannten Tanz um das Goldene Kalb.
In diesem Wirbel aber müßten die besten menschlichen Eigenschaften verkümmern:
- Der Gedanke an den Menschen neben uns.
- Das Gefühl für Dinge, die sich - wie etwa die Vorsorge für die Zukunft unserer Kinder - nicht unmittelbar zu lohnen scheinen.
Nur aus unserer Bescheidung nämlich können die Mittel fließen, die unserer Jugend mehr und bessere Ausbildungsmöglichkeiten eröffnen. Und unser Beispiel wird ihr den Glauben geben, daß materieller Gewinn nicht der Weisheit letzter Schluß, des Lebens einziger Sinn ist. Schließlich haben wir auch eine geschichtliche Aufgabe, Werke und Werte der Kunst, der Kultur und der Wissenschaft nachhaltig zu fördern.   …..
Wer unserem Volke nichts anderes zu geben vermag, als 'besser leben' oder 'weniger arbeiten', der wird die Geister und Herzen auf die Dauer nicht gewinnen können. Über dem löblichen Streben des einzelnen müssen wir als Volk und Nation um die Verwirklichung übergeordneter Ziele bemüht sein. Dann werden wir überrascht feststellen, daß wir mit dem allgemeinen Wohl zugleich die Grundlagen unseres eigenen Lebens gefestigt haben." Zitat ende!

In der Hoffnung, dass unsere Vorschläge und Anträge aufgegriffen werden, werden wir dem Haushalt zustimmen.
Wir wünschen Ihnen, dass sie die Weihnachtszeit als Ladestation für Leib und Geist nutzen und das Jahr 2017 mit großen Optimismus angehen.  Danke fürs Zuhören!