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Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede zur Kreistagssitzung 11. Dez. 2023, in Offenau Die ökologische Nische verschwindet, das existenzielle Risiko der Klimakrise

ÖDP-Kreisrat Klaus Ries-Müller

Sehr geehrter Herr Landrat Heuser, meine Damen und Herren,  
1. Einleitung
Was ist Ihre Wohlfühltemperatur? Haben Sie es lieber warm bei 25 Grad oder lieber kühler bei 20 Grad?
Die Frage hat einen ernsten Hintergrund:
Der Mensch braucht zum Leben und Überleben seinen optimalen Temperaturbereich, seine ökologische Nische. Außerhalb dieses Temperaturbereichs wird es zunächst ungemütlich und im Extremfall sogar lebensfeindlich.
Wenn nun durch die Klimakrise die Temperaturen ansteigen, fallen immer mehr Menschen aus diesem optimalen Temperaturbereich heraus.
Machen wir beim Klimaschutz weltweit so weiter wie bisher, so bedeutet das eine globale Erwärmung von knapp 3 Grad. Damit kann ein Viertel der Menschheit, dort wo sie heute sind, nicht mehr überleben.
Bei weniger Klimaschutz – und bei einigen Ländern und auch bei uns sieht es im Moment danach aus - kann mehr als die Hälfte der Menschheit in lebensfeindlichen Regionen landen.
Für jede Erhöhung der globalen Erwärmung (bis Ende des Jahrhunderts) um 0,3 Grad werden knapp eine halbe Milliarde Menschen ihren Lebensraum verlieren.
Diese Ergebnisse einer aktuellen Studie des Weltklimarates sind deprimierend, aber so ist die Lage eben. Die Studie bedeutet aber auch: Jede 0,1 Grad weniger bei der globalen Erwärmung rettet Millionen von Menschenleben!

(Quelle: Neue Studie vom Weltklimarat: Das existenzielle Risiko der Klimakrise (“Quantifying the human cost of global warming”), Wissenschafts-Podcast „Das Klima“ DK089, wissenschaftspodcasts.de/podcasts/das-klima/dk089-die-oekologische-nische-der-menschheit-und-das-existenzielle-risiko-der-klimakrise_8167416/)


Das heißt, der Klimaschutz muss zentraler Bestandteil jedes politischen Handels werden. Und das sofort, gerade auch weil Jahrzehnte der Vorwarnung einfach ignoriert wurden.

2. Voller Energie zu weniger (fossilem) Energieverbrauch!
Auch im Landkreis Heilbronn wurden diese Warnungen vor einer Klimakrise viel zu lange ignoriert.
Das hat sich inzwischen geändert: So haben wir kürzlich unser Klimakonzept beschlossen.
Damit ist das Fundament für einen effektiven Klimaschutz gelegt. Darauf müssen wir nun schnell, ohne weiteres Zögern „Stein auf Stein“ oder besser „Holzbalken um Holzbalken“ (CO2-neutral!) aufbauen.
Wir brauchen eine sabotagesichere, dezentrale, demokratische, friedenstiftende und klimaneutrale Energieversorgung.
Warum sabotagesicher?
Weil Hackerangriffe leichter Großkraftwerke lahmlegen, als viele Tausende dezentrale Einheiten.
Warum demokratisch?
Weil der fossile Lobbyismus unsere Demokratie zerstört. Die Bestechung der Ex-Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, durch die Ölscheichs von Katar (u. a.) ist nur ein Beispiel. Ausgerechnet am Welt-Anti-Korruptions-Tag am 9.12.2023 jährte sich die Verhaftung von Eva Kaili.
Warum friedenstiftend?
Weil mit dem Öl- und Gas-einnahmen weltweit Kriege und Terrorismus finanziert werden.

Warum klimaneutral?
Weil wir in Deutschland die Treibhausgas-Emissionen möglichst bis 2030 auf Null bringen sollten.

Dabei ist das Potential alleine für die Photovoltaik-Nutzung riesig.
Allein bei Landkreisgebäuden gibt es ein ungenutztes Potential für rund 1 Megaweatt peak (MWp) PV-Leistung. Durch diese Neuinstallation könnte rein rechnerisch ein Viertel des Stromverbrauchs der landkreiseigenen Liegenschaften gedeckt werden (1 Gigawattstunde von 3,9 GWh/pro Jahr).
Das würde zu jährlichen Einsparungen von 150 000.- Euro an Stromkosten führen, ohne die bereits bestehenden PV-Anlagen. Damit hätte sich eine solche Investition nach 6 bis 8 Jahren amortisiert, bei einer Lebensdauer von über 20 Jahren.
Die Generierung von solchen zusätzlichen, krisensicheren Einnahmen wäre für uns auch ein Zeichen für eine sparsame Haushaltsführung!
(Annahme: Kosten: 10 Cent/kWh mit PV, Kosten pro eingekauft kWh: 25 Cent, Einsparung 15 Cent/kWh.)

Noch schlechter als bei den Landkreisgebäuden sieht es bei Privat- und Gewerbegebäuden aus.
Bei Privathäusern ist nur eines von 10 geeigneten Dächer mit einer PV-Anlage belegt.
Da kann man nur noch sagen:
Jammert nicht über die hohen Strompreise, sondern schaut euch mal eure „nackten“ Dächer an.
Um die Vermietung von Dachflächen zu vereinfachen, indem Dachbesitzer und Investoren zusammengebracht werden, schlagen wir eine regionale Dachbörse vor.
So eine Internetseite könnte ähnliche wie die Tauschbörse des Abfallwirtschaftsbetriebs aufgebaut sein. Die einen haben ein Möbelstück, die anderen suchen eines. Die einen haben ein Dach zu vermieten, die anderen suchen eines, um eine PV-Anlage zu installieren!
Solch eine Initiative könnte mit wenig Geld- und Mitteleinsatz viel bewirken!

3. Verkehrter Verkehr
„Weniger Stadtbahnen ab 8. Januar unterwegs“ – so die Schlagzeile in der Rhein-Neckar-Zeitung (16.11.2023) Gemeint ist damit die „gezielte Ausdünnung“ des AVG-Angebotes wegen zu wenig Fahrern/innen. Diese Situation wird sich aufgrund der demographischen Entwicklung noch deutlich verschärfen.
Der geplante Ausbau des ÖPNVs, inklusive unsere diversen Strecken-Reaktivierungen laufen damit ins Leere. Um dies zu verhindern, brauchen wir autonome Stadtbahnen. Das ist nicht mal neu: In Deutschland und weltweit gibt es Duzende Beispiele, wie sowas aussehen kann.
Erstaunlich ist, dass das Verkehrsministerium Baden-Württemberg zwar unzählige Förderprogramm für den autonomen PKW- und LKW-Verkehr hat, aber keines für autonome Züge. Warum geht das bei der Autoindustrie zügig voran und im Bahnverkehr nicht.
Deshalb schlagen wir einen runden Tisch mit allen Beteiligten vor. Unser Antrag zielte darauf ab, das Thema „autonomes Fahren“ von Stadtbahnen voran zu bringen.
Eine entsprechende Initiative würde gut zur Vorreiterrolle des Kreises Heilbronn bei der KI (Künstlichen Intelligenz) passen.
Die AVG ist hier bereits mit einer Firma aus dem Stuttgarter Raum unterwegs.
Wieso könnte nicht auf der geplanten Krebsbachtalbahn ein Pilotanwendung starten. Die Krebsbachtalbahn hätte den Vorteil, dass hier die Dt. Bahn nicht dabei ist. Auch hier dürfte es mit der Dt. Bahn nur zu zusätzlichen Verspätungen kommen.
Positive Veränderungen werden nicht erreicht, indem man auf heutigem Wissensstand basierend, alle möglichen Bedenken vorträgt. Veränderung erreicht man, wenn man etwas wagt, wenn man auch mal „out of the box“ denkt und wenn man mutig Dinge vorantreibt. Warum sollte der Landkreis Heilbronn nicht einfach mal als Baden-Württembergischer Landkreis „den Arm heben“ und aufzeigen: „Wir sind offen für das Thema, wir würden das unterstützen, wir sitzen bei den ersten Überlegungen zur Umsetzung einer autonom fahrenden Bahn gerne mit am Tisch.“

4. Wohnungsbau
Auch bei der Wohnungsnot sind neue Ideen gefragt.
Bei der Diskussion um fehlenden Wohnraum wird fast ausschließlich der Neubau von Wohnungen gefordert. Dabei ist der Neubau die teuerste, langwierigste Maßnahme mit dem größten Ressourcen- und Flächenverbrauch.
Die Wohnungsnot hat eine enorme soziale Sprengkraft. Die Situation wird vielen erst bewusst, wenn sie plötzlich eine neue Wohnung brauchen, oder wenn sie eine Wohnung vermieten.  
Der Landkreis hat hier ein Neubau-Förderprogramm aufgelegt. Aufgrund der hohen Baupreise läuft dieses Programm vermehrt ins Leere.
Untersuchungen zeigen, dass rund 5% der nutzbaren Wohnungen leer stehen. Manche Städte führen Umfragen durch und kommen so mit potentiellen Vermietern ins Gespräch. Anschließend kümmert sich ein Mietmanager um die Vermietung der Leerstände und steht auch später helfend zur Seite.
Solch einen Mietmanager wollen wir für den Landkreis installieren, als Berater und Ansprechpartner für die Gemeinden, auch um an Fördermittel vom Land zu kommen.
Natürlich läuft hier schon viel in den Gemeinden, vor allem um für Flüchtlinge Unterkünfte zu finden.  Hier gibt es in vielen Gemeinden seit 2015 etablierte Strukturen.
Wir haben manchmal den Eindruck, dass man hier die Wohnungsnot der Einheimischen aus dem Blick verliert.  
Lassen sie es uns einfach mal mit einem Mietmanager ausprobieren!

5. Zum Schluss
Ich schließe meine Rede mit den Schlussworten unserer ersten ÖDP-Haushaltsrede von 1994:
Zitat Anfang:
„Ich denke es erfordert viel Einsicht und Wagemut, neue Wege zu erproben und eingefahrene Geleise zu verlassen. Ich wünsche uns diese notwendige Einsicht und den Mut, damit wir nicht in alten Sackgassen steckenbleiben.
Wenn wir nicht wirklich zu einem Umdenken kommen (in Taten wohlgemerkt nicht nur in Worten), dann könnte es ausgehen wie jenem Frosch im Gleichnis:
Gleichnis vom Frosch:
Taucht man einen Frosch in einen Topf mit heißem Wasser, so versucht er rasend das Gefäß zu verlassen. Setzt man ihn jedoch in kaltes Wasser, welches nur langsam erhitzt wird, so lässt sich das Tier zu Tode kochen, ohne dass es sich besonders wehren würde.
Dieses Gleichnis charakterisiert treffend unsere Situation.
Viele Menschen merken nicht, wie Tag für Tag unsere Umwelt ein winziges Stück weiter zerstört wird, bis auf einmal die Lebensgrundlagen vernichtet sind.
Lassen Sie uns das verhindern!“ – Zitat Ende.

Mit diesen, fast 30 Jahre alten Schlussworten bin ich nun am Ende angelangt.  

Ich danke fürs Zuhören!