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Antrag / Anfrage / ÖDP

Haushaltsrede zur Kreistagssitzung 09. Dez. 2019, in Bad Rappenau - Mehr Zukunft für die Erde - Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz

ÖDP-Kreisrat Klaus Ries-Müller (Bad Rappenau). Die Klimastreifen-Krawatte verdeutlicht die Erhöhung der mittleren Erdtemperatur von 1900 bis 2018.

Mehr Zukunft für die Erde -
Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz 1)

1) Untertitel des Schlußbericht der Enquete-Kommission, „Schutz der Erdatmosphäre“; Deutscher Bundestag, 31.10.1994

 

1. Einleitung

Sehr geehrter Herr Landrat Piepenburg, meine Damen und Herren, 

manchmal dauert es sehr lang, bis sich wissenschaftliche Erkenntnisse verbreiten und bis sie Reaktionen auslösen und das Handeln verändern.

Bereits im Jahr 1896 (!) rechnete der schwedische Nobelpreisträger Svante Arrhenius aus, dass eine Verdoppelung des CO2 in der Atmosphäre zu einer Temperaturerhöhung um 4 bis 6 °C führen würde.

Aber ganz so weit müssen wir gar nicht zurückblicken: 

Dazu ein Zitat von Professor Hartmut Graßl (U. a. 1990 Mitglied in der Enquete Kommission des Bundestages zum „Schutz der Erdatmosphäre“), einem weltweit führenden Klimaforscher in einem Spiegel-Interview 1987:   

„Machen wir ein Gedankenexperiment:

Nehmen wir an, es ändert sich nichts am Niederschlag, doch im Sommer ist es durchschnittlich ein Grad Celsius wärmer. Was passiert? Es gibt, wie heute, die üblichen Perioden, in denen vier Wochen lang kein Regen fällt. Nun aber werden diese vier Wochen zu einer Dürrekatastrophe, weil, infolge der höheren Temperatur, alle Flüssigkeit im Boden verdunstet. Weizenfelder werden verdorren, Wiesen zur Steppe vertrocknen, alles bei einem Temperaturanstieg von nur einem Grad Celsius.“ Zitat ende.

Erinnert sie das vielleicht an die letzten Sommer!

Oder Spiegel Ausgabe 1994:

„Die Verwirklichung der "Konvention" der Klimakonferenz von Rio (1992) würde eine Senkung der CO2-Emissionen um etwa 70 Prozent erfordern. …. die Industrienationen müssen sich zu einer "totalen Transformation" entschließen, wenn die irdische Klimamaschine nicht gänzlich aus dem Ruder laufen soll.“ Zitat Ende!

 

Und heute – 30 Jahre später?

Hunderttausende Schüler gehen auf die Straße, weil sie merken, dass Lobbyinteressen und Besitzstandswahrung der Entscheidungsträger offenbar mehr zählt, als die Zukunft der nächsten Generation!

Und wie ist die Reaktion der Politik?

Der FDP-Chef, Christian Lindner, meint doch wirklich: Die jungen Leute sollen sich da raushalten. Das ist eine Sache für Profis. (Christian Linder, 10.3.2019 auf Twitter)

Tage später hatten 12.000 Forscher eine Stellungnahme unterschrieben. Fazit: Die Jugendlichen haben recht!

Oder zu einer anderen Partei mit einem „C“ im Namen:

Drei Viertel der Deutschen sehen laut einer repräsentativen Umfrage in der CDU nicht die Partei, die die Schöpfung bewahrt. (Alle Ergebnisse der Umfrage, Nov. 2019: https://act.gp/2Kmmn0N)

 

2. Energie und Geld sparen - Klima schützen

Es besteht dringender, nicht aufschiebbarer Handlungsbedarf! Maßnahmen zum Klimaschutz müssen absolute Priorität erhalten. Deshalb unser Antrag „Klimaschutz als zentrale Zukunftsaufgabe“.    

Wir hatten den Antrag zunächst mit „Klimanotstand“ überschrieben. Da die Wortwahl einigen  aufgestoßen ist, haben wir den Antrag umformuliert.
Zu unserer Überraschung sind wir von der ÖDP nun sogar vom Europa-Parlament überholt worden: Mit 2/3 Mehrheit wurde vor ein paar Tagen der  Klimanotstand ausgerufen.

Der Antrag bedeutet nun nicht, dass es im Landkreis Heilbronn ganz besonders schlecht um den Klimaschutz bestellt ist. Doch auch wir müssen mehr tun!

Ein wichtiges Ziel ist die klimaneutrale Energieversorgung der Liegenschaften des Landkreises bis spätestens 2030. Dazu brauchen wir einen konkreten Fahrplan, welche Maßnahmen sind wann notwendig, um das Ziel rechtzeitig zu erreichen, Gebäude für Gebäude.

„Eine Vereinbarung der angeführten Ziele ist nicht erforderlich“, so die Stellungnahme der Verwaltung.

Wann wollen wir die Klimaneutralität erreichen? 2050? Oder gar nicht?

Lassen Sie uns die wirtschaftliche Boom-Phase nutzen, für mehr Investitionen in den Klimaschutz ausgerichtet an konkreten Zielvorgaben.

Wir können aber noch mehr tun:

Deshalb unser Antrag „Bessere Ausnutzung der Wasserkraft im Landkreis“.  

Uns geht es darum, dass besonders die über 30 Kleinwasserkraftwerke (kleiner 1 Megawatt pro Jahr) im Kreis erhalten und weiter optimiert werden und dass neue Kraftwerke geprüft werden.

Wir denken, dass dafür die Expertise im Landratsamt nicht ausreicht. Deshalb soll eine Potentialstudie nach einer ortsbezogenen Bestandsaufnahme konkrete Vorschläge ausarbeiten unter Berücksichtigung der Auswirkungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und des Hochwasserschutzes.

Das ist gerade auch deshalb notwendig, weil hier (Zitat) „der ökologisch verträglichen Wasserkraftnutzung enge Grenzen gesetzt sind“, wie es in der Stellungnahme der Verwaltung heißt.

Holznutzung bei Neubauten

Noch eine Anregung: Forstminister Peter Hauk (CDU), selbst Förster, hat zu mehr Holzbau aufgerufen. Holzbauten sind CO2 Speicher! Bei zukünftigen Bauprojekten sollten wir solche klimapositiven Materialien, wie z. B. auch Holzdämmstoffe, verstärkt einsetzen.

 

3. Nachhaltiger Verkehr:

Nicht nur unser Energiesystem auch unser Verkehrssystem bedarf einer Transformation.

Doch der Umstieg zum ÖPNV scheitert oft an den einfachsten Voraussetzungen:

An unpünktlichen und überfüllten Bussen und Zügen und zu wenig ÖPNV weg von den städtischen Zentren.

Das Ganze kommt nicht aus heiterem Himmel!

In Sachen Investitionen ins Schienennetz liegt Deutschland seit Jahrzehnten auf den hinteren Plätzen. 77 Euro pro Kopf und Jahr waren es 2018. Die Schweiz bringt es auf 365 Euro, also 5 Mal so viel!

3.1. HNV (Heilbronner · Hohenloher · Haller Nahverkehr GmbH):

Was brauchen wir noch für die Transformation beim HNV?

Elektrobusse für den HNV:

Der ÖPNV in Wiesbaden soll ab 2022 vollständig emissionsfrei betrieben werden. Bis dahin soll die gesamte Flotte von 220 Bussen auf Elektroantriebe umgestellt sein. 11 Busse sollen ab Sommer mit Wasserstoff fahren. Den Wasserstoff liefert der Mainzer Energiepark aus Windkraft.

Nürnberg erhält eine Förderung für 52 E-Busse, Mainz für 23, Offenbach für 29, Osnabrück für 49 E-Gelenkbusse, Hannover für 48 (eCitaro, elektrischer Stadtbus von Mercedes –Benz), Aachen für 27 (eCitaro), Kiel für 36, Bremen für 20 E-Busse …

und der HNV in der Region der Weltmarktführer?

Immerhin fährt jetzt 1 E-Bus in HN im Probebetrieb.  

Von 1951 bis 1960 waren wir da schon mal weiter: Damals fuhren in Heilbronn Elektrobusse die von Oberleitungen versorgt wurden. Außerhalb der Oberleitungen wurde die Strecke bis zur nächsten Oberleitung mit Schwungmassenspeicher überbrückt. 

 

Mobilitäts-App:

Fahrpläne, Haltestellen, Carsharing, E-Ladestationen, freie Parkplätze – alles in einer App will Karlsruhe im nächsten Jahr anbieten! Auch hier sind wir im Ländle bei weitem nicht Spitze!

 

Seit 2017 hat die litauische Hauptstadt Vilnius eine der fortschrittlichsten Mobilitäts-Apps der Welt, mit der man problemlos ohne privaten Pkw durch die Stadt kommt und das der Stadtverwaltung nebenher so viele Daten liefert, dass sie ihre Verkehrsplanung gerade grundlegend umstellt.

Der Direktor der Stadtverwaltung von Vilnius (Povilas Poderskis) glaubt, dass private Pkw bald wie Pferde sein werden: "Man wird sie nur noch für die Spritztour am Wochenende aus der Garage holen."

Ruftaxi:

Auch Ruftaxi lassen sich gut in solch einen Dienst integrieren. Gerade fern der städtischen Zentren die optimale Lösung. Im Neckar-Odenwald gibt es als Angebot des Verkehrsverbund Rhein-Neckar ein Ruftaxi-System mit 23 Linien.

 

3.2 Stadtbahn: 

Auch und gerade mit neuen Mobilitäts-Apps brauchen wir die Streckenerweiterungen im Zabergäu und langfristig im Bottwartal und im Krebsbachtal.

Doch brauchen wir wirklich die teuren Oberleitungen?

Züge mit Batteriespeicher:

- In Schleswig-Holstein fahren auf den bisher nicht elektrifizierten Bahnstrecken bald 55 Elektrozüge mit Akkus vom Schweizer Bahnherstellers Stadler, die sich an den Oberleitungen der Hauptstrecken wieder aufladen.

 

4. Bürgerkampagne: Blühender Landkreis

Mit unserem Antrag „Blühender Landkreis“ hatten wir eine Mitmachaktion vorgeschlagen, nach dem Vorbild „Blühender Landkreis Ravensburg“. (Siehe unter: www.bluehender-landkreis.org

Das Landratsamt wird sich dazu noch mit den Gemeinden abstimmen. Wir haben den Antrag daraufhin vorerst zurückgezogen.

Damit sie hier im Kreistag schon vorab zu einem Blühenden Landkreis beitragen können, haben wir von der ÖDP einige von Hand gefüllte Samentütchen verteilt.

 

5. Müll vermeiden:

Mehr Öffentlichkeitsarbeit zur Müllvermeidung:

„Wir müssen unsere Öffentlichkeitsarbeit verbessern: Wir brauchen hier u. a. bestimmte Infos und Prospekte, die auf wichtige Zielgruppen und Gewerbebetriebe ausgerichtet sind. …“ usw. - so eine ÖDP-Stellungnahme im Oktober 1995!

Wir freuen uns, dass im nächsten Jahr nun eine Stelle für die Öffentlichkeitsarbeit zur Müllvermeidung geschaffen wird. Manchmal dauert es halt etwas länger, bis unsere Vorschläge umgesetzt werden!

 

Müllsheriffs

Manchmal geht es auch schneller.

So wurde noch letztes Jahr unser Antrag zur Einstellung von zwei zusätzlichen Müllsheriffs abgelehnt.

Dass dann kürzlich unser Vorschlag für weitere Müllsheriffs vom Abfallwirtschaftsbetrieb in der Presse diskutiert wird, hat uns dann doch überrascht. (Kraichgau Stimme 21.11.2019)

Hier besteht Handlungsbedarf: Denn Fehlwürfe in der Biotonne sorgen u. a. für Mikroplastik im Kompost, das sich dann wieder im Boden und auf den Feldern anreichert. 

Inzwischen gibt es auch eine erprobte automatische Fremdstoff-Detektion am Sammelfahrzeug von einer Firma aus Tübingen (Maier & Fabris GmbH). Das System wird bereits von 8 Landkreisen in Baden-Württemberg eingesetzt, auch zur Kontrolle von Wertstoffen im Restmüll. Wir bitten, dies zu prüfen.

Selten kommt es vor, dass auch mal ein ÖDP Antrag direkt - ohne Wartezeit -  von der Verwaltung angenommen wird.

So freut uns, dass die „Unterstützung von ehrenamtlichen Repair-Cafes und Initiativen zur Müllvermeidung“ umgesetzt werden soll.

 

6. Zum Schluss

Der britische Klimaforscher Professor Ed Hawkins hat den Anstieg der Erdmitteltemperatur auf eine einfache Art dargestellt, um so Ausmaß und Tempo des Klimawandels auf einen Blick verständlich zu machen.

Dargestellt sind hier die Abweichungen der mittleren Jahrestemperatur von 1901 bis 2018 für die einzelnen Regionen weltweit, für Amerika, Europa, Afrika usw. (Quelle: Ed awkins/ClimateLabBook )

Die Zusammenfassung finden sie hier auf meine Krawatte! Der Trend – auch die zunehmende Beschleunigung - dürfte jedem einleuchten.

Der Juli 2019 ist da übrigens nicht dabei. Der Juli 2019 ging in die Geschichtsbücher ein, denn im Juli 2019 wurden in Deutschland 25 Mal die 40 Grad erreicht!  

Von 1881 bis 2018 – also in 140 Jahren davor - wurden in Deutschland insgesamt 10 Mal 40 Grad erreicht. (Juli 2019: 25x  zu 140 Jahre davor: 10x)

 

Trotz dieser dramatischen Situation, möchten wir mit 2 positiven Anmerkungen abschließen:

- Weltweit sind die regenerativen Energien nicht mehr aufzuhalten: In Dubai entsteht ein gigantischer Energiepark mit fünf Gigawatt Photovoltaik-Leistung, Speichern und Wasserstoff-Produktion (das entspricht der Leistung von 3 Atomkraftwerken). 

Günstigstes Angebot bei der Ausschreibung: 1,53 Cent pro erzeugter Kilowattstunde.

 

- In Deutschland wurden die Nischenanwendung Photovoltaik zu der inzwischen günstigsten Energiequellen überhaupt entwickelt! Deutschland hat beste Voraussetzungen den Wandel zu stemmen: Das Wissen, die Technologien, das Geld, ein stabiles politisches System und ein starke Zivilgesellschaft,  …. Wer, wenn nicht wir?!

 

Die ÖDP wird dem Haushalt entsprechenden den Punkten 1 bis 3 zustimmen.

Danke fürs Zuhören!

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