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Haushaltsrede zur Gemeinderatssitzung am 19.12.2013 - Querdenken!

1. Einleitung:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

beim Blick zurück in die Geschichte von Bad Rappenau waren es oft Querdenker, die Bad Rappenau voran gebracht haben. Personen, die voraus dachten und Neues wagten.

So begann die Geschichte als Heilbad 1822 mit der Entdeckung eines mächtigen Salzlagers durch Salineninspektor Rosentritt. Ein Jahr danach entstand in Rappenauer eine der modernsten Salinen in Europa. Bereits 1833 öffnete das erste Solebad im Großherzogtum Baden.

Nicht zu vergessen die Verleihung des Prädikats „Bad“ 1930, erst nach mehreren Anläufen.
Kurz darauf wurde nach viel Eigenleistung der Rappenauer Bevölkerung 1935 das erste Solefreibad in Bad Rappenau eröffnet. Mit dem Werbe-Slogan „Bad Rappenau - Seebad fern vom Meer“ wurde Bad Rappenau weit und breit bekannt.

Das nur einige Beispiele, bei denen Menschen Neues wagten und einmal quer gedachten.

Wir stehen in Bad Rappenau auch heute an vielen Stellen auf vorderen Plätze. Sei es bei der (Auto-) Verkehrsanbindung, bei der Kinderbetreuung, mit unseren Kureinrichtungen und Wellness-Angeboten, aber auch mit unseren Angeboten im kulturellen Bereich.

Doch sind wir für die zukünftigen Herausforderungen wirklich gerüstet?

Keinesfalls dürfen wir uns entspannt zurücklehnen und auf dem Erreichten ausruhen. Wir brauchen immer wieder neue Ideen und ein Querdenken!

Dazu wollen wir von der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) unseren Beitrag leisten.

 

2. Solide Finanzen – Vorsorgen statt Nachsorgen

Trotz Wirtschaftsboom, steigender Steuereinnahmen und trotz niedriger Zinsen steigt der Schuldenstand der öffentlichen Haushalte – mit 1123.- Euro pro sec. So wird während meiner Rede der Schuldenstand um weitere 8 Mio. Euro angestiegen sein, auf 2,1 Billionen Euro.

Auch bei uns soll die Nettokreditaufnahme um 3,6 Mio. auf 10 Mio. Euro bis Ende 2014 steigen. Doch das ist nur ein Viertel der städtischen Verbindlichkeiten. Inklusive des Eigenbetriebs Stadtentwässerung, des Gewerbegebiets Buchäcker und der Bürgschaften für die Kurbetriebe belaufen sich die Schulden immerhin auf 41 Mio. Euro. (Ende 2012: Buchäcker: 3,4 Mio., Bürgschaften: 5,1 Mio., Eigenbetrieb: 25,8 Mio., städt. Haushalt: 7 Mio).

Besser als erwartet verliefen die letzten Haushalts-Jahre. Auch der neue Haushalt beruht auf dem Prinzip Hoffnung, um die Worte von Gerd Kreiter zu benutzen. Auf der Hoffnung, dass die 3,6 Mio. Euro neuer Schulden dann doch nicht kommen.

Das ist ein riskantes Spiel, die Konjunktur verläuft in Zyklen.

Auch hier sollten wir mal querdenken: Sind wir auf eine neue Krise finanziell richtig vorbereitet – mit Verbindlichkeiten von über 2000.- Euro pro Einwohner?

Wir von der ÖDP meinen: In guten Zeiten besser vorsorgen statt später nachsorgen!

 

Wo sehen wir von der ÖDP weitere Potentiale für Einsparungen:

-         Das Wasserschloss kostet uns pro Jahr über 60000.- Euro bei bescheidenen Einnahmen (Miete, Gebühren) von 12000.- Euro für ein Gebäude mit fast 1000 m2 Nutzfläche. Wir brauchen eine  Nutzung mit dem Ziel, eine Kostendeckung zu erreichen.
Die inzwischen gescheiterte gastronomische Nutzung hatte für eine Belebung in den Abendstunden gesorgt. Wir befürchten bei einem weiteren Leerstand zusätzliche Ausgaben durch Vandalismus am Schloss und Schlosspark.

-         Die Stadt besitzt – laut Gerd Kreiter bei der Einbringung des Haushaltes - 51 Wohn- und Geschäftsgebäude, 89 Miet- und Pachteinheiten. Ein Großteil dieses Bestands ist für die Erfüllung der städtischen Aufgaben nicht notwendig. Wie müssen die günstige Lage auf dem Immobilienmarkt nutzen und verstärkte Verkaufsanstrengungen unternehmen.

-         Das gleiche gilt für den Verkauf von städtischen Klein- und Eckgrundstücken an die Anwohner. Hier gibt es einen riesigen Flickenteppich an städtischen Minigrundstücken in Wohngebieten - mit enormem Aufwand für den Bauhof (zum Beispiel für den Winterdienst oder die Grünpflege).

-         Energie sparen: In den letzten 10 Jahren haben sich die Kosten für Energie fast verdreifacht (Deutschland: 2004: 2435TWh für 37 Mrd. Euro; 2012: 2417 TWh für 98 Mrd. Euro, + 165%). Da brauchen wir nicht viel Voraus-Denken: Dieser Trend wird anhalten.   
Energieeinsparungen verursachen zwar zunächst Mehrausgaben, aber die Investitionen machen sich oft  nach wenigen Jahren bezahlt.
Doch energetische Sanierungen sind im Haushalt Mangelware – trotz des enormen Bestandes von 72 öffentlichen und großteils alten Gebäuden.

-         Nachdem unser Antrag auf Lichtabschaltung in Wohngebieten trotz jährlichen Einsparungen von 70000.- Euro letztes Jahr gescheitert ist, freut es uns, dass zumindest 100000.- Euro pro Jahr für neue, sparsame LED-Lampen eingestellt sind.
Doch wird das Geld dann wirklich investiert? 2012 war noch die Hälfte des Planbetrages übrig (45 000.- Euro). Diese Investitionen rechnen sich oft nach wenigen Jahren. Während Eppingen seine alten Lampen komplett austauscht, wird dies bei den 3200 Rappenauer Lampen wohl 20 Jahre dauern.

- Bei 42 ha Park- und Grünanlagen mit 230000.- Euro Aufwand nur für das Mähen der Rasenflächen könnte durch die teilweise Anlage von Blumenwiesen der Pflegeaufwand deutlich reduziert werden. Zum Nutzen der Bienen und anderer Insekten.

3. Gelesen-gelacht–gelocht–Mentalität

Sicher stößt die Verwaltung teilweise an ihre Leistungsgrenze, gerade weil auch immer neue Vorschriften umgesetzt werden sollen. (Beispiel: Brandschutz)

Trotzdem ist es mehr als ein Gebot der Höflichkeit, dass auf Anfragen aus dem Gemeinderat innerhalb von weniger als 2 Monaten eine Reaktion erfolgt. Oft reicht eine kurz E-Mail, warum etwas vielleicht noch nicht machbar ist. (Wir Gemeinderäte von der ÖDP sind nun mal auch nicht allwissend!)

Hans-Jürgen Thiel hat dies einmal in einer Haushaltsrede (2007) als Gelesen-gelacht–gelocht–Mentalität bezeichnet und kritisiert, dass auf die Anregungen in den Haushaltsreden keine Reaktion erfolgt.

Nur 3 Beispiele dazu, weitere sind jederzeit im Internet unter www.oedp-heilbronn.de zu finden:
- Vorschläge zur Belebung der Innenstadt um den Kirchplatz.

- Verkürzung der Schrankenschließzeiten: Die Schließzeiten schwanken von 1,5 Minuten bis zu 3 Minuten. Es werden auch mal 4 Minuten, wenn zwischen den Zügen die Schranke geschlossen bleibt. Warum ist das so? Dies bedeutet doch, dass hier Optimierungsbedarf besteht.

- Die Einführung einer Bürgerstiftung.

 

4. Nachhaltiger Verkehr: Stadtbahn und Bürgerbus

In einem Jahr – im Dezember 2014 soll sie dann endlich durch Bad Rappenau fahren: Die Stadtbahn. 1994 wurde das Gesamtkonzept im Kreistag beschlossen – genau vor 20 Jahren. Hätte mir damals jemand gesagt, dass es so lange dauert, ich hätte ihn als Pessimisten beschimpft.

Mit Start der Stadtbahn müssen die Ortsteile ohne Stadtbahnanschluss besser per Bus angebunden werden. Aber auch im Kernort könnten wir uns eine Anbindung der Stadtbahn durch einen Bürgerbus vorstellen. Vorbildlich ist dies in Bad Wimpfen gelöst. Die Fahrkosten liegen bei 1.- Euro pro Fahrt. Trotzdem sind die Kosten für die Stadt durch den Einsatz von ehrenamtlichen Fahrern bei nur 20000.- Euro pro Jahr. Vielleicht beteiligen sich die Kliniken mit einem Zuschuss, da durch solch einen Bürgerbus eigene Fahrdienste eingespart werden. In Bad Wimpfen hat der Bürgerbus inzwischen auch eine soziale Wichtigkeit, da sich viele ältere Mitbürger/innen im Bus treffen.

 

5. Klinik 2015 – Fitnesskur für die Kuk

Im letzten Jahr feierten die Kliniken unter dem Motto „100 Jahre aktiv für Vitalität, Mobilität und Stimme". Dabei hat die Salinenklinik 40 Jahre, Stimmheil- und Therapiezentrum je 30 Jahre zu der vollen Hundert beigetragen.

Dies zeigt, dass unsere Kliniken langsam in die Jahre kommen. Nur mit einer Fitnesskur - sprich mit einer Anpassung an die neuen Anforderungen – bleibt die Kuk langfristig wettbewerbsfähig.

Wir brauchen optimale Abläufe und räumliche Nähe in energiesparenden Gebäuden. Wir von der ÖDP halten das bisherige Konzept Klinik 2015 für gelungen. Es integriert die bestehende Substanz, wo sinnvoll und schafft neues, wo notwendig.

 

6. Rappsodie als Gesamtpaket (Sauna, Hallenbad und Freibad):
Das Thema Rappsodie und besonders das Freibad wurde nicht nur im Gemeinderat, sondern auch bei uns in der Fraktion teilweise kontrovers diskutiert - weshalb ich nachfolgend die Mehrheitsmeinung wiedergebe.

Beim Bäderensemble auf dem Schwärzberghügel ist für uns das Gesamtpaket wichtig: Sauna, Hallenbad und Freibad. Auch der Betreiber hat vor 6 Jahren das Gesamtpaket übernommen.

Trotzdem ist das Freibad seitdem das ungeliebte Kind. Aber auch ungeliebte Kinder muss man fördern, sonst werden sie nicht erfolgreich sein.

Eine solche Förderung des Freibades wollten wir durch eine  marginale Verlängerung der Öffnungszeiten erreichen. Dabei sollte das Freibad - nur bei heißer Witterung - eine Stunde länger offen bleiben. Pro Saison also rund 20 Stunden mehr Badezeit mit marginalen Mehrkosten von bis zu 2000.- Euro. Als nach einer wiederholten Anfrage im Gemeinderat keine Reaktion erfolgte, wurden innerhalb kurzer Zeit 400 Unterschriften gesammelt.

Doch was ist inzwischen aus dieser Aktion für mehr Kundenfreundlichkeit geworden?

Genau das Gegenteil: Die Öffnungszeiten sollen zwar verlängert werden, aber nebenbei wurden die Eintrittspreise für den Einzeleintritt erhöht.

Die Bäder der Umgebung - und mit denen stehen wir nun mal im Wettbewerb - haben durchweg günstiger Preise oder einen deutlich höheren Standard. Schauen Sie dazu einfach mal in die Übersicht der Kraichgau Stimme vom 24.4.2013 an und nicht die tendenziöse Preisübersicht, die unser Betreiber zusammenstellte.

Aber es kommt noch „besser“: Eine Schlechtwetterregelung ist geplant.

Es ist gerade 5 Jahre her, dass eine solche Regelung grandios mit maximaler Kundenverärgerung (und damit Besucherrückgang) gescheitert ist.

Wochenlang war das Freibad mit negativen Schlagzeilen in der Presse:

- RNZ, 19.5.2008: „Freibad jetzt auch bei Sonnenschein geschlossen?“ Dazu dann der „passende“ Kommentar: „Macht das Bad doch einfach ganz zu“

- „Freibad soll über die Feiertage geöffnet bleiben, nach Protesten … erörtert Bäderbeirat … Details“ (RNZ, 20.5.2008) Zitat OB Blättgen „Selbstverständlich habe er kein Interesse daran, dass uns die Kunden weglaufen“. (RNZ, 20.5.2008) oder:

- „Stadt reagiert auf Proteste wegen Badbesuch“ RNZ 25.5.2008

- „Schlechtwetterregel schlägt hohe Wellen“ (KST 10.9.2008)

Dieses Thema funktioniert einfach deshalb nicht, da das Wetter nicht einen Tag davor exakt vorhergesagt werden kann. Selbst wenn dies funktionieren würde: Das Thema ist so verbrannt, dass wir davon einfach die Finger lassen sollten!

Auch bei der finanziellen Betrachtung wollen wir einmal querdenken:

Es ist richtig, dass die Sauna mit ihrem jährlichen Betriebskosten-Überschuss Hallenbad und Freibad mit finanziert. Dafür haben wir aber in den letzten 7 Jahren über 10 Millionen Euro investiert. Weitere 1,2 Mio. Euro sind für die Saunaerweiterung geplant.

Die Betriebskosten sind nur eine Seite. Auf der anderen Seite stehen die Abschreibungen und Zinsen für die Saunainvestitionen. Und die liegen bei weit über 1 Mio. Euro pro Jahr. (Haushaltsstelle: 7900-715200, S. 125)

Rein aus unternehmerischer Sicht ist damit auch die Sauna ein deutliches Verlustgeschäft. Dass hier keine Missverständnisse aufkommen: Wir haben diese Investitionen in der Vergangenheit mitgetragen, für unsere Bevölkerung und, was uns besonders wichtig ist, für unsere Kurbetriebe.

Was uns stört ist die einseitige Betrachtung gegen das Freibad als alleinigen Verlustbringer. Wie gesagt - wir brauchen das Gesamtpaket.

Die gerade genannte Kritik ist nun nicht neu. Die Verwaltung hat deshalb Vorschläge zur Attraktivitätssteigerung des Freibads ausarbeiten lassen. Vorschläge, die alle (!) deutlich im 6-stelligen Euro-Bereich liegen. Ohne die Entscheidung hier im Gemeinderat vorwegzunehmen, von diesen Vorschlägen wird zum Schluss nichts übrig bleiben. Aber vielleicht war dies auch beabsichtigt.

In der Vergangenheit haben wir es nicht einmal geschafft, im Freibad ein Sonnensegel für 3000 – 5000.- Euro am Kinderbecken zu installieren. Oder eine solare Brauchwassererwärmung für das Kinderbecken wurde erst gar betrachtet. Ich erinnere da an unsere Vorschläge in der Haushaltsrede von 2011.

Oder an die weiteren, durchweg günstigen Vorschläge, die im Sommer an den Betreiber und die Verwaltung übergeben wurden – wieder nachzulesen im Internet (www.oedp-heilbronn.de).  Fazit: Wir erwarten nicht nur Vorschläge, die durchweg mehrere Hunderttausend Euro kosten, sondern auch kleinere Maßnahmen, wie der kürzlich angelegte Sandstrand.

Generell befürworten wir eine Ausrichtung als Familienbad, ohne dabei die Schwimmer zu vernachlässigen. Ein reines Spaßbad mit Riesenrutsche halten wir nicht für Ziel führend, gerade auch weil Sinsheim sich als Spaßbad etablieren will.

7. Zum Schluss

Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Bertrand Piccard, ein Schweizer Wissenschaftler, Solarpionier und Querdenker:

„Ich suche mir immer Leute, die mir sagen: ‚Was du machst, ist total bescheuert. Denk noch mal nach.’ So kommen gute Ideen zustande.“

Bertrand Piccard umkreiste als erster Mensch die Erde in einem Ballon. Sein aktuelles Projekt „Solar Impulse“ ist die Erdumrundung mit einem Solarflugzeug.

Für 2014 ist eine Erdumrundung in mehreren Etappen ausschließlich mit Sonnenenergie geplant.

Das Ziel des Projekts ist, die Menschen für die Notwendigkeit des Energiesparens und der Nutzung und Förderung von Erneuerbaren Energien zu sensibilisieren.

 

In der Hoffnung, dass unsere Vorschläge aufgegriffen werden, werden wir dem Haushalt zustimmen.

Danke fürs Zuhören!

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Fraktion der Ökologisch-Demokratische Partei / Familie und Umwelt (ödp)

Gemeinderäte: 
Klaus Ries-Müller, Christine Schlieter, Martin Wacker, Steffen Gorzawski

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