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Haushaltsrede Kreistag am 7. Dez. 2009, in Offenau

Weniger ist mehr!

1. Einleitung:

Es ist Grippezeit, das Fieber steigt, die Nase läuft, der Hals kratzt.

Es ist Grippezeit in den öffentlichen Haushalten, die Schulden steigen, die Bürger haben von Steuererhöhungen die Nase voll und so mancher Bürgermeister bekommt angesichts rückläufiger Steuereinnahmen einen dicken Hals.

Kein Wunder, wer ständig über seine Verhältnisse lebt, darf über schwindende Abwehrkräfte nicht jammern. Doch in unserer Gesellschaft haben wir über die Verhältnisse gelebt und gewirtschaftet, ohne an die Folgen zu denken - auch für kommende Generationen und die Mitwelt.

Einschnitte in Lebens- und Konsumgewohnheiten zur Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Sanierung der Staatsfinanzen sind bitter nötig. Dabei bedeutet eine vitaminreiche Diät keinen Verlust an Lebensqualität. Im Gegenteil: Weniger ist oft mehr:

Weniger Müll, der in Mannheim teuer verbrannt wird, dafür mehr Geld in der Haushaltskasse von Kreis und Bürgern.

Weniger im Stau stehen, dafür mehr Zeit zum Lesen und Entspannen in der Stadtbahn.

Weniger Energieverschwendung, dafür mehr saubere Luft durch regenerative Energie.

Weniger unnötigen Konsum, dafür mehr Zeit für die Familie und Freunde.

Weniger Verschuldung heute, dafür mehr Spielraum und Zukunft für die nächste Generation.

Wer schon mit Fieber ans Bett gefesselt war, wird mir zustimmen:

Krankheiten sind Chancen, Ideen auszubrüten und das Handeln neu auszurichten.

Für unseren Landkreis kann dies so aussehen:

2. Verschuldung - Mehr Zukunft mit weniger Schulden

Der Schuldenstand der öffentlichen Hauhalte steigt immer schneller - mit 4500.- Euro/sec - eine wahrhaft fieberhafte Entwicklung. Während meiner Rede wird der Schuldenstand um weitere 4 Mio. Euro angestiegen sein, auf inzwischen insgesamt 1,6 Billionen Euro.

Auch im Landkreis steigt die Nettokreditaufnahme um 6 Mio. Euro auf insgesamt 54 Mio. Euro bis Ende 2010. Bis 2013 (also die nächsten 4 Jahre) werden wir rund 14 Mio. Euro an Zinsen bezahlen.

Braucht der Landkreis bald einen zusätzlichen Schuldnerberater? Trotz hervorragender Abschlüsse in den letzten Jahren und eines noch soliden Kreishaushaltes 2010, steigt die Neuverschuldung Jahr für Jahr  kontinuierlich an.

Was machen wir erst, wenn ab 2011 die Finanzkrise voll auf den Haushalt durchschlägt? Dann bleibt nur eine kräftige Erhöhung der Kreisumlage, die dann auf ebenfalls finanziell geschwächte Gemeinden trifft.

Besser wäre gewesen, die Kreisumlage im letzten Jahr nicht zu senken, um die zukünftigen Erhöhungen abzufedern und durch den Schuldenabbau Zinsen zu sparen.

Auch haben wir von der ÖDP in der Vergangenheit immer mehr Zurückhaltung bei den Ausgaben angemahnt. Wir denken da an den nicht notwendigen Neubau des Landratsamtes, der die Verschuldung noch mal noch oben trieb.

Besser vorbeugend Abwehrkräfte aufbauen, um gegen die nächste Grippewelle gewappnet zu sein.

3. Energische Energiepolitik: Mehr Zukunft - weniger Energieverschwendung

„Was haben Klimawandel und Finanzkrise gemeinsam? Sie basieren auf faulen Krediten." (Mechthild Upgang)

Unsere Nachkommen werden ausbaden müssen, was unsere Generation Tag für Tag verbockt. Schlimmer als die finanziellen Schulden sind die ökologischen Schulden, weil diese ökologischen Schulden überhaupt nicht getilgt werden können. Das geschmolzene Eis der Pole ist nicht wieder herzustellen. Eine ausgestorbenen Art ist nicht per Mausklick wie im Second Life zu rekonstruieren.

Wichtig ist dass die positiven Beispiele im Kreis wie Blockheizkraftwerke und Hackschnitzelheizungen weiter ausgeweitet werden: Unser Ziel:

Die Liegenschaften des Landkreises sollten im Jahre 2020 zu 100% mit erneuerbarer Energie versorgt werden. Das ist auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit, da regenerative Energien langfristig immer billiger und fossile Energieträger immer teurer werden. Eine vollständige Versorgung mit regenerativer Energie ist keine Utopie: Der Neckar-Odenwaldkreis produziert heute sogar schon soviel Energie regenerativ, wie alle privaten Haushalte dort verbrauchen. Der Kreis hat sich damit gerade als Bioenergie-Modell-Region beworben.

4. Mehr Initiative für Arbeit und Bildung, weniger Arbeitslose

Kerngesund war unser Arbeitsmarkt bis zur Finanzkrise. Inzwischen bläst uns der Wind wieder voll ins Gesicht: Die Arbeitslosenzahl in Stadt- und Landkreis Heilbronn ist innerhalb von nur zwölf Monaten um fast 40 Prozent gestiegen, wenn auch mit 5,6 % die Arbeitslosenquote noch moderate ist.

Die Finanzkrise sorgt für einen starken Vertrauensverlust. Für Kleinbetriebe ist es jetzt noch schwieriger einen Kredit zu erhalten als bisher. Viele Ideen scheitern mangels Finanzierung. Viele Betriebe gehen in den Konkurs weil Überbrückungskredite fehlen. Hier könnte der Landkreis in die Bresche springen und günstige Kredite für zukunftsweisende Kleinbetriebe und Existenzgründer anbieten.

Denkbar wäre auch die Einrichtung eines Zukunftsfonds zusammen mit den Sparkassen, in Zusammenarbeit mit der IHK und der Wirtschaftsförderung (WFG).

Dass solche Kleinkredite für die wirtschaftliche Entwicklung von entscheidender Bedeutung sind, zeigt  Friedensnobelpreisträger Mohammed Yunus aus Bangladesch. Er erfand vor 30 Jahren den Mikrokredit. Er leiht Kleinstbeträge (40 ... 2500.- Euro) an Bedürftige und Arme, und dies ohne Sicherheiten nur auf Basis von Vertrauen. 6,6 Millionen Kunden betreut seine Bank. Erstaunlicherweise funktioniert die Rückzahlung. Es gibt nur 1 - 3 % Ausfälle und dies trotz Finanzkrise.

Eines ist sicher: Solch eine Initiative würde den Landkreis weiter bringen als ein Aufkleber „Heilbronner Land" auf einer Ariane Rakete. Da fragen wir uns von der ÖDP schon, ob wir demnächst unsere „Heilbronner Land"-Schilder auf dem Mond aufstellen!

Mit dem persönlichen Besuch vor Ort dürfte es allerdings dann doch schwierig werden.

Was ist eigentlich aus unserem Leitbild Umwelt-Technologie-Region Heilbronn geworden? Die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung zeigt, dass wir uns im Kreis Heilbronn auf breitere Füße stellen müssen.

5. Verkehrspolitik: Weniger Autoverkehr - mehr Stadtbahn

Stadtbahn:

Nun fährt sie endlich, die Stadtbahn Nord von Heilbronn über Neckarsulm, Bad Friedrichshall, Bad Wimpfen, Bad Rappenau bis nach Sinsheim. Sie haben richtig gehört: Die Stadtbahn fährt von Heilbronn nach Sinsheim, allerdings nur einmal am 12.12.2009 auf einer Sonderfahrt, zum Start der S-Bahn S5  Rhein-Neckar im Elsenztal. Wir von der ÖDP können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass es um uns herum - im Rhein-Neckar-Kreis und sowieso im Kreis Karlsruhe - einfach schneller geht mit dem Ausbau des ÖPNV.

Bis zum regulären Stadtbahn-Betrieb wird es wohl noch bis zum Dezember 2012 dauern. Wir hoffen, dass die Stadt Heilbronn weiterhin an dem gemeinsamen Konzept festhält. Dass dieses gemeinsame Konzept bei der Stadt nicht die notwendige Priorität hat, zeigte die kürzlich diskutierte Verschiebung um 2 Jahre.

Das Gegenteil wäre notwendig: In Zeiten milliardenschwere  Konjunkturprogramme müssten die politisch Verantwortlichen der Region lautstark in Stuttgart anklopfen und diese Mittel für einen zügigen, vorgezogenen Ausbau der Stadtbahn abgreifen.

Sonst besteht die Gefahr, dass wegen Stuttgart 21 und der Untertunnelung der Stadtbahn in Karlsruhe die Fördermittel ausgehen und so der weitere Stadtbahn-Ausbau ganz zum Erliegen kommt.

Denn das „schwarze Loch" Stuttgart 21 scheint immer tiefer zu werden: Sprachen wir letztes Jahr noch von einem Kostenanstieg um 300 Mio. Euro auf 3,1 Mrd. Euro, so sickerte inzwischen durch, dass der Risikozuschlag von 1,4 Milliarden Euro inzwischen aufgebraucht ist: Das wären dann 4,5 Mrd. Euro Baukosten für das Oettinger Mausoleum. Ein Gutachten des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) geht sogar von 8 Mrd. Euro aus - bis zur Fertigstellung 2020.

Für uns von der ÖDP ist eines sicher: Wenn wir nicht jetzt unsere Zuschüsse schnell sicher, wir für das nächste Jahrzehnt nichts mehr laufen.

Sehr geehrte Abgeordnete aus unserer Region, sorgen Sie dafür, dass Stuttgart 21 sofort gestoppt wird. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!

Wir von der ÖDP wünschen uns dabei wirklich nicht viel für unseren Landkreis:

Intakte Bahnhöfe mit Gepäckaufbewahrung, Toiletten, mit Fahrkartenverkauf, akzeptable Verbindungen mit modernen Züge, die keine 40 Jahre alt sind.

Eine Ertüchtigung unseres regionalen Schienenverkehrs - Beispiel Frankenbahn  (Strecke Heilbronn - Würzburg) ist dringend notwendig! Warum nicht auch durch eine Stadtbahnlösung?

Wer treibt das Thema ÖPNV im Landkreis? Sicher nicht das Landratsamt bzw. sein Landrat! Im Gegenteil: Eine Studie zur Stadtbahn Richtung Osterburken macht „keinen Sinn!" - so war es kürzlich zu hören.

Ein Lob an die Bürgerinitiative Frankenbahn, die das Thema immer wieder auf die politische Tagesordnung setzt.

Eines müssen wir uns immer wieder verdeutlichen: Der ÖPNV ist ein wichtiger Standortvorteil für Unternehmen und Privatpersonen. Gerade bei der bevorstehenden Überalterung der Gesellschaft gewinnt ein (Stadtbahn-)Bahnanschluss ungeahnte Bedeutung.

Apropos: Überalterung der Gesellschaft: Wir bitten zu prüfen, ob nicht zukünftig auch Toiletten in Stadtbahnwagen eingebaut werden können. Auf den Bahnhöfen fehlen diese Toiletten zunehmend und gerade für ältere Menschen, ist das ein Grund, auf eine Bahnfahrt zu verzichten.

Heilbronner Verkehrsverbund (HNV):

Jeden Tag fahren im Unterland mehr als 100.000 Menschen Bus, Bahn oder Stadtbahn und benutzen damit den HNV. Damit es noch mehr werden, wünschen wir uns von der ÖDP:

- eine weitere Vernetzung zum VVS, trotz aller Schwierigkeiten. Wann kommt es endlich? Das Metropolticket für Region Stuttgart und Region Heilbronn-Franken!

- Eine Sozialticket für u. a. Arbeitslose und sozial Schwache, wie zum Beispiel im Rhein-Neckarkreis von der FDP vorgeschlagen (man höre und staune!)

- Verstärktes Marketing für den ÖPNV. So konnte in München nachgewiesen werden, das verstärktes Marketing sich nicht nur ökologische sondern auch ökonomisch durch mehr Fahrgäste auszahlt. Dort werden zum Beispiel speziell Bürger/innen nach einem Umzug angesprochen. Grund: Nach einem Umzug ändert sich oft das Mobilitätsverhalten.

6. Politik für Familien: Mehr Taten und weniger Worte für die Förderung der Familien

Bei der Förderung von Familien hat sich einiges getan. Es sind aber auch noch viele Hausaufgaben zu machen, u. a. auch im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Ein bedarfsgerechtes Angebot an Betreuung ist dabei von zentraler Bedeutung. Andererseits entsteht der Bedarf abhängig vom Angebot und auch vom Preis für die Betreuung.

Neben den Kosten stellt sich noch die gesamtgesellschaftliche Frage, ob es sinnvoll ist, die Kindererziehung in öffentlichen Einrichtungen für unter 3-Jährige derart mit Steuergeldern zu subventionieren. Beispiel: 15 000.- Euro pro Jahr für einen Krippenplatz (siehe CDU-Antrag).
Oder mit anderen Worten: Wer Kinder selber erziehen will, wird bestraft bzw. bekommt nichts. Wer sie in Krippen und Horte bringt, wird finanziell belohnt.

Wir von der ÖDP bevorzugen eine echte Wahlfreiheit für die Eltern, indem wir seit Jahren ein Erziehungsgehalt fordern. Die Eltern könnten dann frei entscheiden, ob sie das Geld für eine kostendeckende Betreuung durch Dritte einsetzen und selbst einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder ob sie diese Erziehung in den ersten 3 Jahren selbst übernehmen.

Für eine flexible Betreuung halten wir ein ausreichendes und qualifiziertes Angebot von Tagespflegemütter für wichtig. Diese Plätze kommen für die Kommunen auch erheblich günstiger, als die Einrichtung von Kindertagesstätten. Deshalb halten wir von der ÖDP die Förderung des TagesKinder-Vereins Region Heilbronn für wichtig. Der Verein hat um 3000.- Euro angefragt. Was uns nun wundert ist, warum dieser Antrag nicht in den Kreistagunterlagen erscheint.

7. Gesundheitsregion Heilbronn:

Die heute für uns wichtigen Branchen - Baugewerbe, Autoindustrie, Maschinenbau - werden langfristig an Bedeutung verlieren. Dagegen gilt der Gesundheitsbereich als die Wachstumsbranche der Zukunft.

Gute Grundlagen sind im Kreis mit unseren Kliniken und Kureinrichtungen vorhanden.

Durch unsere Investitionen in die SLK-Kliniken werden wir fit für die Zukunft und damit hoffentlich auch weniger anfällig für zukünftige Grippewellen, sprich zukünftige Sparrunden.

Was wir brauchen ist eine bessere Vernetzung der Einrichtungen und ein gemeinsames Auftreten nach außen unter der Überschrift Kompetenzregion Gesundheit!

In unsere Zustimmung zu den anstehenden Investitionen mischt sich auch eine gehörige Portion Wut und Enttäuschung: Zum einen ein Gesundbrunnen, der alles andere als gesund dasteht. Nicht einmal eine Wiederbelebung scheint zu helfen: Es muss ein Neubau erstellt werden.

Zu anderen ist dann in der Zeitung zu lesen, dass wichtige medizinisch notwendige Investitionen in den letzten Jahren nicht getätigt wurden.

Da fragen wir uns von der ÖDP: Was macht eigentlich unser sogenannter Aufsichts-Rat?

Zukünftig muss hier die Früherkennung von Krankheiten erheblich verbessert werden!

8. Schluss

Erkrankte Menschen stellen verständlicherweise die Frage nach dem "warum". Lassen Sie uns die kränkelnde Haushaltslage sowie die ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen "Grippeviren" zum Anlass nehmen, nach dem "wozu" zu fragen:

Was können wir an unserem Lebens- und Wirtschaftsstil künftig besser machen, um nachhaltig zu gesunden?

Da uns zu viele der vorgeschlagenen Heilbehandlungen im Haushalt fehlen, bei gleichzeitiger weiterer  Neuverschuldung, werden wir den Haushalt ablehnen.

Ich bedanke mich fürs Zuhören.

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Ökologisch-Demokratische Partei / Familie und Umwelt (ödp)

Kreisrat Klaus Ries-Müller,                                                               
Asternweg 1, 74906 Bad Rappenau, Fon 07264/205662

Kreisrat Horst Freiherr von Gemmingen-Guttenberg,
Dammhof 7, 75031 Eppingen, Fon 07262/7755

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